Friday, June 01, 2007

01.Juni – Tag der Philosophen

Nachdem der Deutsche Wetterdienst meint, wir sollten den heutigen Tag man lieber im Hafen verbringen, kamen wir dieser Aufforderung entsprechend nach.

Und das war gut so!

Deshalb schliefen wir heute richtig aus.

An solchen Tagen gehen einem immer viele Dinge durch den Kopf.

Zur Zeit überwiegt die Freude über unser wunderbare Zeit. Von Tag zu Tag erkenne ich mehr, wie groß dieses Geschenk ist, dass Claudia und ich uns mit diesem Sabbatjahr gemacht haben.

Wir fahren hier durch die Weltgeschichte und ständig sehen wir etwas neues und wir lernen jeden Tag dazu.

Ich traue mich gar nicht zu schreiben, mit welcher Vorstellung über die baltischen Länder und Polen ich hier angetreten bin.

Wenn man dann vor Ort ist, zeigt sich einem ein ganz anderes Bild. Es gibt jedenfalls keinen Grund als „Deutscher“ auf diese Länder herabzublicken. Wir sollten uns eher Gedanken machen, ob wir nicht langsam mal wieder beginnen wollen, selber die Ärmel hochzukrempeln. Hier kann man sehen, dass das scheinbar sogar Spaß bringen kann.

Eines muss man aber auch feststellen. In Deutschland wird anders gearbeitet.

Ich betone: anders, nicht besser oder schlechter.

Allein wenn man hier einkauft, ist festzustellen, dass viel mehr Menschen in den Geschäften beschäftigt sind.


Während es z.B. in Deutschland Geschäftspolitik ist, dass in Schlecker-Märkten eine Frau ein ganzes Geschäft allein beschickt (was fast unmöglich ist), sind hier immer ausreichend Arbeitskräfte in den Geschäften zu sehen. Die Menschen scheinen sich hier nicht so verheizen zu lassen wie in unserer Heimat.

Beeindruckend sind Begegnungen mit solchen Menschen, wie Ruth.


Ruth kam gestern mit Ihrem schönen Stahlkutter „Farewell“ einhand in den Hafen. Sie hat nach ihrer ersten „freien Saison“ in Tallinn überwintert und dort als Ärztin gearbeitet. Jetzt ist sie auf dem Rückweg und soll im Juli als Ärztin auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten, das über Island – Grönland – Canada und dann weiter um die Welt fährt.

Wenn man sieht, mit wie viel Enthusiasmus, Eifer und Freude Ruth ihre Zeit gestaltet, kann man sich nur mitfreuen und man denkt:


Warum machen das eigentlich nicht mehr Menschen?

Ruth konnte uns auch etwas mehr über das Leben in Estland erzählen. So ist es nicht unnormal, dass Ärzte zwei Vollzeitstellen haben. Es gibt hier halt die 35 Stunden Woche und wer mehr verdienen will, macht halt zwei volle Jobs.

Allerdings sei der Kapitalismus hier massiv angekommen und habe sich noch nicht recht eingepegelt. Die Preise stimmten manchmal nicht mit den erzielten Löhnen überein.

Sie erzählte uns, dass diese Länder seit Jahren nur im Aufschwung begriffen wären. Die Menschen hier könnten sich gar nicht vorstellen, dass es nicht nur bergauf gehen könne. Deshalb besteht die Gefahr, dass hier mal eine Blase platze.

Das ist schon alles reichlich spannend zu hören und teilweise selbst zu beobachten.

Heute flachste Michael, als wir spazieren waren und einem Auto Platz machten: „Oh, kuck mal. Ein armer Este. Der konnte sich keine M-Klasse leisten. Da hat’s nur für einen neuen Toyota-Geländewagen gereicht!“

Natürlich ist das ein wenig überspitzt. Aber ein wenig ist das schon so. Auf der Straße wird der wirtschaftliche Aufschwung massiv gezeigt.

Naja, heute war mein Beitrag für Euch nicht ganz so witzig. Aber ich kann ja auch nicht immer nur rumalbern…

Bilder gab’s auch. Aber die werden nachgeliefert.


Ich bin ja nur durch ganz viel Glück überhaupt online. Ruth hat ein 24h Paket Internet hier am Hotspot gekauft. Ich durfte mich jetzt in der Nacht auf ihren Account einloggen, um meinen Sermon hochzuladen.

Ihr seht also: Irgendwas geht immer. Gerade, wenn man nicht damit rechnet.

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